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Amiens - mit Kathedrale und moderner Kunst

Eine große Kirche steht an einem Fluss. Es ist die Kathetrale von Amiens. Das Gebäude, die darum herum liegenden Häuser und Bäume spiegeln sich im Wasser.
Die Kathetrale von Amiens - das größe mittelalterliche Sakralgebäude Frankreichs. Die Kirche spiegelt sich im Wasser der Somme. Foto: Kai-Uwe Ruf

Amiens  ist voll  bekannter und versteckter Kunst

Alte Häuser mit kleinen Gärten stehen an einem Fluss. Im Vordergrund blühen Blumen.
Am Ufer der Somme stehen viele kleine, alte Häuser mit winzigen Gärten. Foto: Kai-Uwe Ruf

Amiens - muss man das gesehen haben? Klar. Fahren Sie hin. Nicht unbedingt, weil dort 1977 der französische Präsident Emanuel Macron geboren wurde, nicht unbedingt, weil Amiens die Hauptstadt des Départments Somme ist. Das bedeutet für den Reisenden nicht viel. Auf den ersten Blick hat uns Amiens gar nicht so sehr gefallen. Die Stadt ist mittelgroß. Etwas mehr als 130.000 Einwohner leben dort. Sie liegt 120 Kilometer von Paris entfernt. Ich weiß nicht, ob da in Frankreich schon die Provinz beginnt. Egal. Für Fremde ist alles etwas unübersichtlich.

Wir waren mit unserem Camper unterwegs. Nach Hotels oder einem Appartment mussten wir daher nicht lange suchen. Der Campingplatz bekommt von mir als Beurteilung allerdings  höchstens ein "na, ja, es geht schon". Begeisterung klingt anders.

Warum dann trotzdem nach Amiens? Weil es dort wirklich einiges zu sehen und zu erleben gibt. Ein paar Tourismus-Highlights und - aus meiner Sicht viel interessanter - einiges, was man im Reiseführer nicht gleich auf den ersten Seiten findet, sondern nur entdeckt, wer bereit ist zu bummeln, zu schauen und sich auch auf etwas unbekanntere Pfade einzulassen.  

Hier sind meine Tipps:

  • Die Kathedrale
  • Saint Leu
  • Spaziergang entlang der  Somme und den Hortillionages
  • Jules Vernes
  • Radausflug entlang der Somme

Die größte Kathedrale

Viele Türmchen und Figuren schmücken die Fassade der Kathetrale von Amiens.
Viele Türmchen und Figuren schmücken die Fassade der Kathetrale von Amiens. Foto: Kai-Uwe Ruf

Wenn man kalauern will, kann man sagen: An der Kathedrale kommt man gar nicht vorbei. Die Kathedrale von Amiens ist das größte kirchliche Gebäude des Mittelalters in ganz Frankreich.  Es ist 145 Meter lang und 42 Meter hoch. 1220 bgannen die Franzosen, sie zu bauen.

Man sieht sie schon aus weiter Ferne, lange bevor man in die Stadt kommt. Als ich davorstehe und den Hals biege, um nach oben zu sehen, komme ich aus dem Staunen kaum heraus. Nicht nur die schiere Größe fasziniert, sondern auch die vielfältigen Verzierungen. Unzählige Figuren schmücken die Kirche innen und außen. Während wir drinnen herumgehen und versuchen, ein paar der religiösen Geschichten zu entziffern, die diese Figuren darstellen, hören wir im Hintergrund die mächtige Orgel klingen. Solche Eindrücke bleiben im Gedächtnis haften - auch noch lange, nachdem der Urlaub zu Ende ist.

 Und noch etwas: Teile der Innenwände sind bunt bemalt - so wie es im Mittelalter üblich war. Es muss damals eine enorme Pracht gewesen sein - und natürlich auch eine enorme Machtdemonstration. Man fühlt sich richtig winzig, wenn man die Kathetrale wieder verlässt.

Das Künstlerviertel St. Leu

Das von Kanälen durchzogene Viertel Saint Leu entstand bereits im Mittelalter. Heute ist es ein Künstler- und Alternativ-Quartier. Am Rand, das heißt direkt am Fluss, gibt es viele Restaurants und Bars. Die meisten sind eher schick. Bereits am späten Vormitag sind die Tische draußen eingedeckt, einige sogar mit weißen Tischdecken. Das sieht richtig teuer aus - und ein Blick auf eine Speisekarte bestätigt: Hier kann man viel Geld lassen. Am Eck, an der Brücke die Richtung  Kathedrale führt, wirbt eine Bar sogar mit Champagner. Moet & Chandon steht dort in lila Schrift auf schwarzem Grund.

Uns macht das nicht so an, wir bummeln erst einmal durch den benachbarten Parque St. Pierre und sehen Jugendlichen beim Fußball- und beim Basketballspiel zu. Dann kommen wir zurück nach Saint Leu, gehen auf altem Kopfsteinpflaster durch enge Gassen. Wir sehen alte Häuser, einige der Fassaden sind bunt bemalt. Etwas weiter haben Straßenkünstler auf Rolltore fantastische Graffiti gesprüht. An einem Haus hängt ein Schild mit der Aufschrift  "Expo". Die Tür ist offen, wir gehen rein und stehen gleich mitten in einer Ausstellung von Hobbymalern aus Amiens. Wir sehen ein paar beeindruckende Bilder: Eines zeigt Wein, der gerade in ein Glas gegossen wird, so detailiert und realistisch, dass einem beim Betrachten das Wasser im Mund zusamenläuft. Es gibt Modernes und Traditionelles. Stilleben nach Art des 16. und 17. Jahrhunderts, Landschaften im Stil Monets und Hyperrealsistisches. Keine Frage:  Amiens Kunstszene lebt, und in St. Leu ist man auf einmal mittendrin - wenn man bereit ist, sich neugierig darauf einzulassen.

Wir kommen sogar mit ein paar Künstlern ins Gespräch.  Leider reicht mein Französisch nicht für eine tiefergehende Unterhaltung aus.  Mein Vorsatz lautet daher: Die Sprache besser lernen, dann ist man in Amiens schnell mittendrin, statt nur dabei.    

Die Somme und die Hortillonnages

Unter einer Brücke an der Somme spiegeln sich Gemälde im Wasser des Flusses.
Unter einer Brücke an der Somme spiegeln sich Gemälde im Wasser des Flusses. Foto: Kai-Uwe Ruf

Die Hortillonnages sind Kleingärten, die in Feuchtgebieten entlang der Somme angelegt wurden. Seit dem Mittelalter sollen sie die Bewohner Amiens mit Obst und Gemüse versorgt haben. Ganz in der Nähe der Kathedrale gibt es immer noch einen Markt, auf dem die Gärtner ihre Waren anbieten. Es lohnt sich dort zu bummeln und einzukaufen. Der Rundgang zu den Gärten selbst hat uns hingegen enttäuscht. Man sieht gar keine schwimmenden Gärten, statt dessen blickt man meist nur auf die Schrebergärten entlang der Somme.

Man kann auch eine Bootstour durch die Hortillonnages buchen. Viellecht bekommt man dann bessere Einblicke. Wir haben darauf verzichtet.

Den Spaziergang entlang der Somme habe ich trotzdem nicht bereut. Unter einer Brücke haben wir ein beeindruckendes Gemälde gesehen. Es zeigt eine Frau, die in einem Blumenmeer liegt. Bis heute ist mir schleierhaft, wie die Künstler es an dieser Stelle, direkt am Wasser, malen konnten. Ein besonders toller Effekt: Das Bild spiegelt sich im Wasser der Somme. Und wieder kann ich empfehlen: Es lohnt sich, Amiens abseits der ausgetretenen Touristenpfade zu erleben. 

Jules Verne - mehr als ein Sience-Fiction-Autor

Für Literaturfans ist er wohl der bekannteste Sohn der Stadt. Jules Verne wurde in Nantes geboren, lebte aber seit 1870 in Amiens, der Geburtsstadt seiner Frau. Bekannt ist Jules Vernes wegen seiner Sience-Fiction-Romane. Mit "Fünf Wochen im Ballon" gelang ihm der literarische Durchbruch als Bestseller-Autor. Noch bekannter sind heute "20.000 Meilen unter dem Meeresspiegel" und "In 80 Tagen um die Welt". Die Romane passen zu der Technikbegeisterung seiner Zeit. Als wir in Amiens waren, bekam ich gleich Lust, einen der Verne-Romane noch einmal zu lesen. Bis heute habe ich es aber noch nicht geschafft. Kaum ist man wieder zuhause, gehen einem andere Dinge durch den Kopf.

In Amiens ist Jules Verne aber nicht nur wegen seiner Romane bedeutend. Er engagierte sich auch in der Kommunalpolitik. Er wurde mehrmals in den Stadtrat gewählt und setzte sich dort für die Stadtplanung sowie das Theater ein. Unter anderem unterstützte er den Bau eines permanenten Zirkus-Gebäudes, des Cirque Jules Verne.  Das beeindruckende Gebäude steht am Place Longueville.  All das und noch viel mehr kann man in Amiens im Maison de Jules Verne im Zentrum des vornehmen Wohnviertels Henriville aus dem 19. Jahrhundert erfahren. Es beherbergt ein Museum, das sich dem Leben und dem Werk des Schriftstellers widmet.

Radtour entlang der Somme

Vergessen Sie nicht, ihr Rad mitzunehmen, wenn Sie nach Amiens kommen. Oder, wenn Sie es doch vergessen, dann mieten sich eins in der Stadt. Es lohnt sich. Amiens hat gut ausgebaute Radwege und eine meist durchdachte Beschilderung, die Radlern den Weg weist. Außerdem gibt es einen schönen Fernradweg entlang der Somme. Also rauf auf den Drahtesel und hinaus ins Grüne. Wir sind bis zum Chateau de Picquigny geradelt, einer Schlossruine, die westlich von Amiens, etwas oberhalb der Somme liegt. Es geht immer den Fluss entlang durchs Grüne. Man kommt an alten Känen vorbei, die am Ufer vertäut sind und als Hausboote zum Wohnen genutzt werden. Man fährt abseits der Straßen, kann die Ruhe genießen und fühlt sich in der Zeit zurückversetzt. Das ist herrlich erholsam und ein prima Tipp auch für alle, die mit Geschichte, Kunst und Literatur nicht so viel anfangen können.

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Kommentare: 1
  • #1

    Jürgen (Montag, 01 Januar 2024 10:03)

    Amiens ist jetzt auch für mich ein tolles Reiseziel. Das Jahr ist noch jung, vielleicht schon in diesem Jahr. Der Bericht ist sehr schön zu lesen.