Die ukrainische Sängerin Daria Sokolovska.
Die ukrainische Sängerin Daria Sokolovska gastiert mit dem Orchester "TheOwnWay" am 16. Dezember in Cuxhaven. Foto Kai-Uwe Ruf

Die Odyssee der Daria Sokolovska

Die junge Sängerin floh vor dem Krieg aus Charkiw.

Wenn das ukrainische Orchester TheOwnWay am 16. Dezember ab 20 Uhr auf der Bühne der Cuxhavener Kugelbake-Halle ihre symphonische Rock- und Pop-Show zelebriert, haben die meisten der 16 Musiker eine lange, tragische Reise hinter sich, die mit der Invasion Russlands in der Ukraine am 24. Februar 2022 begann. Panzer, Raketen und Bomben zerstörten mit einem Schlag die Lebensentwürfe der Künstler. Nur die Musik ist geblieben.

Auch die Welt der jungen Sängerin Daria Sokolovskas bricht mit einem Schlag zusammen, als die Bomben fallen. Sie erinnert sich noch ganz genau an die erste Explosion: “Ich lag noch im Bett. Es war sieben Minuten nach fünf Uhr am Morgen.” Eine Rakete sei ganz in der Nähe der Wohnung explodiert, erzählt sie: “Der Boden hat gewackelt. Ich konnte die Erschütterungen spüren. Mir war klar, dass jetzt der Krieg beginnt.” Wie viele Ukrainer habe sie damit gerechnet, dass es früher oder später so kommt.

Die 22-Jährige lebt zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Mann und ihrer eineinhalbjährigen Tochter in Charkiw, einer Millionenstadt in der Ostukraine. Noch am selben Tag beschließt die Familie zu fliehen. Die drei wollen zumindest weg aus Charkiw. Die Industriemetropole gilt als bevorzugtes Ziel für Luftangriffe. Darias Eltern leben in Krasnohrad, einer Kleinstadt 100 Kilometer südöstlich von Charkiw. Dort wollen sie Unterschlupf finden.

Sie packen ein paar Sachen zusammen, nur das Nötigste, Dokumente, Lebensmittel, Wasser und ein wenig Kleidung. “Alles andere haben wir in der Wohnung zurückgelassen”, erzählt Daria.

Zunächst kommt die kleine Familie aber gar nicht aus der Stadt heraus. In Charkiw ist der Verkehr vollständig zusammengebrochen. Fünf Stunden warten sie auf ein Taxi, das sie zum Bahnhof bringt. Endlich klappt es, aber dann gibt es keinen Platz im Zug. Sie rufen Darias Eltern an. Die holen sie schließlich mit dem Auto ab.

Drei Monate leben sie in Krasnohrad. “Es gab nicht viel zu tun. Wir versuchten zu überleben“, erzählt die Sängerin. Weil alle Geschäfte geschlossen gewesen seien, habe man nur schwer Lebensmittel bekommen. Für Daria und ihre Familie ist es etwas leichter, weil die Eltern einen Bauernhof betreiben. Aber nach drei Monaten geht der Familie das Geld aus. Dann bekommt Daria von einem Freund aus der Türkei ein Angebot, in Antalya zu arbeiten. Für sechs Monate fährt sie dorthin. Ihr Mann muss - ebenso wie ihr Vater - in der Ukraine bleiben. Die meisten Männer dürfen wegen des Militärdienstes das Land nicht verlassen. Nur die Frauen und das Kind können ausreisen.

Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnt: Es wird eine Trennung für immer. Darias Familie zerbricht daran. Das Ehepaar trennt sich. Auch ihren Vater wird die Frau nicht wiedersehen. Er stirbt als Soldat an der Front. “Er hat immer gesagt: ‘Du musst leben und weiter singen, dann hat mein Kampf einen Sinn” ', erzählt sie und ihre Stimme stockt dabei.

Die Odyssee der jungen Frau geht weiter. Während sie in der Türkei lebt, bekommt sie ein Angebot des Prime Orchestra, einer ukrainischen Musikproduktion, die europaweit auftritt und Geld für den Freiheitskampf in der Heimat sammeln soll. Daria sagt zu und reist nach Niedersachsen. Das Prime Orchestra hat zu dieser Zeit in Wolfenbüttel ein Zuhause gefunden.

Nach einem halben Jahr bricht die Gruppe auseinander. 16 der Musiker beschließen, zusammen den nächsten Schritt zu gehen und gründen eine neue Formation: TheOwnWay nennen sie ihr Orchester, mit dem sie ihre eigenen Vorstellungen von Musik und gemeinsamem Arbeiten verwirklichen wollen.

Für Daria beginnt auch privat ein neues Kapitel. Sie verliebt sich in Maksym Perekhozhuk, den Sänger des Orchesters. Die beiden werden ein Paar. Ihre beiden Stimmen sind in den Liedern des neuen Programms zu hören. Bei Whitney Houstons Balade “I wanna dance with somebody”… erklingt Darias im Operngesang geschultes Organ. Maksym zeigt unter anderem beim Scorpions-Hit “Still loving you”, über welch enorme Stimmkraft er verfügt.

Das Repertoire ist gespickt mit Rock- und Pop-Hits im Orchester-Gewand. Beyonces “Halo” wird ebenso zu hören sein wie der Cranberries-Hit “Zombie” und “It’s my life” von Bon Jovi.

Tickets gibt es im Kundencenter der Cuxhavener Nachrichten und an allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie online.

 

Cuxhavener Nachrichten, 9. Dezember 2023