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Kristianopel - Kleines Dorf mit großer Geschichte

Ein Radfahrer fährt auf einer Dorfstraße an bunten Holzhäuschen, einer alte Kirche und einem modernen Mini-Einkaufsmarkt vorbei.stianopel auf den ersten Blick. Foto: Kai-Uwe Ruf
Bunte Holzhäuschen, eine alte Kirche und ein moderner Mini-Einkaufsmarkt - so präsentiert sich Kristianopel auf den ersten Blick. Foto: Kai-Uwe Ruf

Kanonen, Holzhäuser und Cadillacs

Manchmal hat man das Glück, dass etwas nicht so klappt, wie geplant und dann viel besser wird, als gedacht. In Kristianopel ist das so. Wir haben den kleinen Ort an der schwedischen Ostküste nur entdeckt, weil es im nahen Karlskrona keinen Platz mehr für uns gab. Der große Stellplatz an der Mole war komplett ausgebucht, als wir mit unserem kleinen Campervan ankamen.

 

“Macht nichts. Mal sehen, was noch kommt”, dachten wir und fuhren einfach ein Stück weiter nach Norden.

 

Kristianopel ist ein kleiner Ort an der Ostküste, um genau zu sein, ein sehr kleiner Ort. 88 Einwohner leben dort in typisch schwedischen Holzhäusern – rot, mit weiß gerahmten Fenstern, gelb und grün. Es gibt einen kleinen Hafen für Sportboote, eine Kirche und einen Campingplatz.

 

Trotzdem sollte man Kristianopel nicht unterschätzen. Der kleine Ort am südlichen Ende des Kalmarsunds hat eine große Geschichte. 1599 ließ der dänische König Christian IV. die Stadt planmäßig anlegen. Sie war die erste dänische Stadt, die nach den architektonischen Idealen der Renaissance streng geometrisch angelegt wurde. 600 bis 700 Einwohner lebten damals in ihren Mauern. Im 17. Jahrhundert bekam sie im Schwedisch-Dänischen Krieg strategische Bedeutung. Mehrmals wurde sie von beiden Kriegsparteien angegriffen, verteidigt, erobert und wieder verloren.

 

Heute sind von all dem nur noch wenige Zeugnisse geblieben. Es gibt eine drei Kilometer lange Stadtmauer mit mehreren Bastionen. Am Hafen stehen zwei große Kanonen, die ihre Rohre aufs Meer hinaus richten. An den Masten an der Marina wehen - friedlich nebeneinander - schwedische und dänische Flaggen. 

 In einem Teil der ehemaligen Festungsanlage ist heute der Campingplatz untergebracht. Auf den etwa zwei Meter breiten Mauern bummeln die Urlaubsgäste und genießen den Blick aufs Meer, wenn sie vom Restaurant zurück zu ihren Wohnmobilen bummeln. Das klingt nicht nur sehr entspannt, das ist sehr entspannt. Die große Mauer aus groben Steinen schützt den Platz vor dem Wind, der vom Meer kommt. Landeinwärts in einer Bucht gibt es einen idyllischen Badeplatz.

 

Das Dorf sieht aus wie aus einem schwedischen Bilderbuch: Holzhäuser, rot, gelb und grün gestrichen, weiße Fensterrahmen. In den Fenstern stehen Blumen und Lämpchen. Jedes Haus ist von einem Garten umgeben. Das Gras dort ist ultrakurz geschnitten und frei von jeglichem Unkraut.

 

Es gibt einen kleinen Laden, in dem man sogar einkaufen kann, wenn weder Betreiber noch Personal da sind. Übers Internet gesteuerte Zugänge, Scan-Kassen und Kreditkarten machen es möglich. Praktisch ist das schon, aber der Dorfschnack, manchmal genauso wichtig wie Bier und Bockwurst, bleibt dabei auf der Strecke.

 

Wir kaufen gar nichts ein, schnacken nebenan mit der Frau vom Campingplatz, schauen die Kirche an und bummeln ein wenig durchs Dorf. 

 Von der Marina aus blicken wir auf einen Schärengarten, einen Archipel aus kleinen und kleinsten Inseln. Das Wasser dazwischen ist ruhig, wie in einem Teich. Küstenseeschwalben, Möwen und Graureiher fliegen darüber, auf der Jagd nach Fischen. Es gibt Nebelkrähen, viele verschiedene Singvögel und Mauersegler - kein Wunder, sie finden auch reichlich Mücken und Fliegen als Nahrung.

 

Gudrun geht im Meer baden, mir ist das Anfang Juni aber noch zu kalt.

 

Tags darauf starten wir zu einem Radausflug nach Torhamn, 52 Kilometer sind das hin und zurück. Es geht auf schmalen, kaum befahrenen Straßen Richtung Süden. Torhamn ist der südöstlichste Ort Schwedens.

 

Wir radeln durch Wälder und kommen immer wieder durch winzige Dörfer. Sie bestehen nur aus ein paar Holzhäusern. Immer sind sie rot, blau, gelb oder grün gestrichen, mal sehr gepflegt, mal weniger ansehnlich. Sie heißen Klakebäck, Gullholma, Attanäs und Sibbaboda. Es geht immer die K751 entlang.

 

Schilder am Straßenrand preisen verschiedene Angebote an. Es gibt Antikes, Trödel, eine Kiosk mit einem Bauernladen und dann wieder Antikes.

 

In Svenhalla machen wir einen Abstecher zu einem Mini-Hafen. Ein Feldweg führt dorthin. An einer kleinen Kaimauer liegt ein kleines Motorboot. Etwas entfernt stehen ein rotes Häuschen und ein Holzschuppen am Waldrand. Wir blicken hinaus auf ein paar Schären. Ein romantischer Maler könnte die Szene nicht besser entwerfen. Und auch ein Krimiautor fände schnell einen Einstieg für seine nächste Geschichte.

 Wir fahren weiter. In Torhamn machen wir in einer Pizzeria Pause. Das Restaurant hat den ersten Tag in der Saison geöffnet. Ein Mann mit osteuropäischem Akzent schmeißt den ganzen Laden und backt auch noch leckere Pizza. Wir sind die einzigen Gäste, aber viele Kunden holen Pizzen ab, um sie zu Hause oder in der Arbeit zu essen.

 

Manche steuern richtige Kultautos auf den Parkplatz. Sie kommen mit riesigen alten Chevrolets und Cadillacs. Die Motoren röhren ohrenbetäubend. Mir kommen ein paar Bilder aus alten Roadmovies wie den Leningrad Cowboys des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki in den Kopf.

 

Alte amerikanische Straßenkreuzer sind in Schweden wohl populär. Wir hatten bereits am Tag zuvor in Kristianopel mehrere Oldtimer gesehen. Als ich sie auf den schmalen Straßen zwischen den alten Häusern und den sehr gepflegten Gärten sehe, komme ich mir selbst vor, wie in einen alten Film versetzt - auch ein Stück unerwartetes Glück.


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