Warum manchmal ein Spatz allein auf der Hecke sitzt
Die ganze Spatzenschar ist wieder unterwegs. Aus der Hecke geht es in die Tanne und dann gleich weiter in den Busch. In unserem Garten ist manchmal eine Menge los. Viele Vögel fühlen sich dort wohl, seit sich unter den Piepmätzen herumgesprochen hat, dass es dort regelmäßig Futter gibt. Spatzen sind die häufigsten Gäste. Meist kommen sie in einer ganzen Schar. Aber manchmal sehe ich auch einen einzelnen Spatz, der allein auf der Hecke sitzt und sich umschaut. Ein Single?
Vielleicht. Aber ziemlich sicher ein alter Haussperling.
Spatzen sind im Alter weniger gesellig. Das haben jetzt Wissenschaftler in Großbritannien herausgefunden. Je älter Spatzen werden, desto kleiner wird ihr soziales Umfeld. Weil immer mehr Altersgenossen sterben, schrumpft ihr soziales Netzwerk, ganz ähnlich wie es bei Menschen ist. Es gibt immer weniger Freunde. Und Spatzen pflegen offenbar nicht gerne Kontakte zu jüngeren Vögeln. Der Aufwand dafür sei für sie oft zu groß. Außerdem riskierten sie dabei, dass sich die Jüngeren ihnen gegenüber aggressiv verhalten. Das Knüpfen neuer Verbindungen bringe ihnen nur wenig Vorteile. Sie können es sich außerdem leisten, weniger freundlich zu sein. Sie müssten sich keine Partner mehr suchen, um sich fortzupflanzen. So kommt es zu den Einzelgängern im Garten.
Freundschaften zu knüpfen verschaffe jungen Spatzen Vorteile. Die Freundlichkeit trage zum Bruterfolg bei, erklärt Studienleiterin Julia Schroeder vom Imperial College London laut einem ORF-Bericht. Wenn sie sich aber erst einmal fortgepflanzt haben, brächte Unfreundlichkeit keine evolutionären Nachteile. Schroeder zieht einen Vergleich zu menschlichem Verhalten. Es könne sein, dass ältere Menschen weniger geneigt seien, neue Freunde zu finden. Weil es zudem weniger Gleichaltrige gebe, mit denen sie Freundschaften knüpfen könnten, sei dies möglicherweise ein Faktor für die Einsamkeit bei älteren Menschen.
Die Spatzen-Studie entstand auf der britischen Insel Lundy. Die Insel ist weit genug vom Festland entfernt, so dass die Spatzen dort eine abgeschlossene Population bilden. Die Forscher beobachteten sie für ihre Untersuchung vier Jahre lang. Sie registrierten 1600 Beobachtungen von 615 Vögeln. Der älteste Spatz dabei war sieben Jahre alt. Die Spatzen bewegten sich in 35 verschiedenen Netzwerken. Unterschiede zwischen Weibchen und Männchen gab es dabei nicht, wohl aber zwischen jungen und alten Tieren.
Viele Medien im Internet griffen die Ergebnisse der Studie auf. Oft zogen sie Parallelen zu menschlichem Verhalten. „Spatzen granteln“, schrieb beispielsweise das Handelsblatt, „Spatzen pfeifen auf Freundschaften“, titelte die Bild.
So weit muss man die Interpretation nicht treiben, finde ich. Mich haben die Meldungen über die Studie trotzdem gefreut. Schließlich macht sie deutlich, dass sich das Bild, das wir von Tieren haben, ändert. Wir sehen in ihnen nicht mehr Lebewesen, die nur auf Fressen und Fortpflanzen fixiert sind. Seit einiger Zeit weiß man, dass Vögel - beispielsweise Meisen - Menschen in ihrem Umfeld unterscheiden und individuell erkennen können. Sie wissen, wer das Futter ins Futterhäuschen streut und wer sich einen Spaß daraus macht, sie zu verjagen. Schön, wenn wir nun auch wissen, warum der Spatz, der alleine auf der Hecke hockt, ein Einzelgänger ist.
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Quellen
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