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Nach Friedrichskoog zum Wattwandern und Staunen

Eine Möwe läuft bei Friedrichskoog durchs Watt. Man sieht matschigen Boden, Grasbüschel und die großen Füße des Vogels.
Mit Matschfüßen unterwegs: Eine Möwe läuft in der Nähe des Trischendamms bei Friedrichskoog durchs Watt. Foto: Kai-Uwe Ruf

Naturerlebnisse jenseits spektakulärer Erwartungen

Schafe und ein Silberreiher stehen auf einer Grasfläche. Im Hintergrund sieht man das Wattenmeer an der Nordseeküste.
Friedliches Miteinander: Schafe und ein Silberreiher sind auf den Wiesen jenseits des Deichs bei Friedrichskoog auf Futtersuche. Foto: Kai-Uwe Ruf

Gudrun hat schon einen Plan. „Lass uns an die Nordsee fahren“, sagt sie. Es ist Herbst, ein langes Wochenende steht bevor, und es ist noch erstaunlich warm für Ende Oktober. „Friedrichskoog“ schlägt sie vor. Ich denke: Prima. Wattwandern. Vögel fotografieren und abends gemütlich im Camper chillen, wenn draußen der Wind bläst. Das klingt gut. Wir packen und fahren.

Es wird ein Ausflug voll beeindruckender Naturerlebnisse jenseits spektakulärer Erwartungen.

 Wer „Friedrichskoog“ sagt, meint meist „Friedrichskoog-Spitze“ und nicht das kleine Dorf mit den traditionellen Häusern und Bauernhöfen, ein paar Kilometer südlich und etwas vom Meer entfernt. Friedrichskoog-Spitze liegt direkt am Deich. Im Zentrum steht eine Kurklinik. Sonst gibt es fast nur Ferienhäuser, traditionelle und moderne. Es ist eine bunte Mischung. Lediglich 80 bis 120 Menschen wohnen dauerhaft in dem Ort, erzählt uns eine junge Frau im Rahmen einer Wattführung.

Wir kommen spät an. Es ist schon dunkel. Als wir noch zu einem kleinen Spaziergang auf den Deich steigen, sehen wir weder Watt noch Vögel. Nah vor der Küste leuchtet statt dessen ein großes Etwas, das mich an ein Kreuzfahrtschiff oder einen Vergnügungsdampfer erinnert. Es ist aber keins von beiden, sondern die Ölbohrplattform Mittelplate A. Sie steht mitten im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Skurril sieht das aus, weil die hell beleuchtete Plattform so nah zu sein scheint, dort, wo ich nur Natur erwartet hatte.

Die gibt es am nächsten Morgen zu sehen. Der Himmel ist grau verhangen. Die Bohrplattform bleibt im Dunst. Wir ziehen los, auf dem Deich entlang und dann hinunter Richtung Wasser. Ich habe die Kamera eingepackt und zwei Objektive. Statt der erhofften tollen Fotomotive auf dem Präsentierteller, gibt es aber zunächst nur ein paar grasende Schafe jenseits des Deiches. Geduld ist gefragt. Ich verabschiede mich von meinen Erwartungen und fange an, mich auf die Gegend einzulassen. Erst jetzt beginnt die Entspannung wirklich.

Zigtausende Brandgänse kommen auf die Insel

Brandgänse auf einer Salzwiese hinter dem Deich bei Friedrichskoog.
Brandgänse auf einer Salzwiese hinter dem Deich bei Friedrichskoog. Foto: Kai-Uwe Ruf

Alles scheint weit entfernt. Gudrun entdeckt einen Reiher auf der Schafswiese. Dann erspähen wir weit entfernt auf einer der Salzwiesen sogar ein paar Brandgänse. Vier sind es, um genau zu sein. Die hübschen, weißen Vögel mit den dunkeln Köpfen und den braunen Streifen im ansonsten weißen Gefieder picken nach Futter und lassen sich von den Kühen nicht stören. Die Küste bei Friedrichskoog ist im Sommer ein Hotspot für Brandgänse. Zwischen Juni und September kommen zigtausende Brandgänse auf die nahe Insel Trischen, um dort zu mausern. Während sie ihr Gefieder erneuern sind sie etwa vier Wochen flugunfähig, berichtet ein Blog des Nabu, der sich mit der Vogelinsel beschäftigt. Da die Insel nicht von Menschen betreten werden darf, sind sie dort aber sicher. Einige der Brandgänse haben sich dieses Jahr im warmen Oktober offenbar noch nicht auf den Weg nach Süden gemacht.

Rote Pflanzen im Watt ziehen den Blick auf sich

Rote Strandastern wachsen aus dem Wattboden. Der matschige Boden ist stellenwesie von Wasser bedeckt.
Der rote Queller wächst im Boden des Watts. Foto: Kai-Uwe Ruf

 Die Neugier treibt uns zu einem kleinen Ausflug ins Watt – vor allem weil wir dort, am Übergang zu den Salzwiesen rötliche Pflanzen sehen, die aus dem matschigen Boden ragen. Es sind Queller, wie wir später erfahren. Die Besonderheit dieser Strandastern: Sie können Salz einlagern. Viele Details dazu findet man auf der Internetseite des Nationalparks Wattenmeer. Man kann die roten Queller sogar pflücken und einen Salat davon zubereiten, erzählt ein Einheimischer. Eine Handvoll sei erlaubt. Er soll gut schmecken, ein wenig salzig, aber auch sehr frisch. Trotzdem finde ich die Idee nicht gut. Der Nationalpark ist ein Naturschutzgebiet. Was dort wächst, sollte man auch dort lassen. Soweit meine Meinung.

Die Muscheln im Watt nehmen Mikroplastik auf

Eine Frau hält drei Muscheln auf ihrer Hand.
Drei verschiedene Muscheln, die im Watt der Nordsee leben. Foto: Kai-Uwe Ruf

Das Watt ist voller Leben, auch wenn es wie eine große Matschfläche aussieht. Wir erfahren das im Rahmen einer Abendführung. Muscheln, Krebse, Würmer sind dort zu Hause. Für die Vögel wird das Watt so zu einem riesigen gedeckten Tisch, wenn das Wasser sich zurückzieht. „Ein All-you-can-eat-Buffet“, sagt die Watt-Führerin und schmunzelt bei dem Begriff.

Zugvögel nutzen das, um auf ihrem Weg nach Süden zu rasten und neue Kraft zu schöpfen.

Mächtig Appetit entwickeln offenbar die Austernfischer. Bis zu 300 Herzmuscheln futtert ein solcher Vogel täglich. Das ist kein Problem, so lange der Tisch ausreichend gedeckt ist. Problematischer ist die Dosis an Mikroplastik, die die Vögel aufnehmen, wenn sie die Muscheln futtern. In der Nordsee lande immer mehr Plastik, dass auch in die Nahrungskette gelange, berichtet unsere Wattführerin. Die moderne Technik und das Naturparadies Wattenmeer vertragen sich offenbar nur schlecht.

Und es ist nicht nur das Mikroplastik. Auch die Ölförderung in der Nordsee steht in der Kritik. Deutlich werden die Risiken auch wenn man sich mit der Ölbohrplattform Mittelplate A befasst. Die Plattform steht im Nationalpark. Sie wurde genehmigt, bevor das Naturschutzgebiet 1985 entstand. Bis 2041 darf dort nach Öl gebohrt werden. Wer vor Friedrichskoog im Watt wandert, kann die Plattform nicht nur in der Ferne sehen. Wenn man leise ist, kann man auch ein Brummen hören. Die Ölförderung ist umstritten. Der Betreiber Wintershall verweist auf seiner Internetseite auf „35 Jahre störungsfreie Ölförderung und ein „komplexes Sicherheitskonzept“. Der BUND warnt auf seiner Internetseite indes vor kaum reparablen Schäden für die Natur, falls trotz allem Öl ins Watt gelangen würde. Die Nahrungsketten vieler Meeresbewohner wären zerstört. Mit dem „All-you-can-eat Buffet“ für die Zugvögel wäre es dann wohl vorbei.

Der Trischendamm lädt zu einem Spaziergang ein

Eine Frau steht auf einem Deich an der Nordsee und blickt auf einen Damm, der ins Meer hinaus führt.
Der Trischendamm zieht sich von Friedrichskoog-Spitze weit in die Nordsee hinaus. Foto: Kai-Uwe Ruf

Auch etwas später in einem Gespräch mit einem Fotografen geht es um Natur und Umweltschutz an der Küste. Wir sprechen über die Elbe und die Vertiefung der Fahrrinne, um den immer größeren Containerschiffen die Fahrt flußaufwärts nach Hamburg zu ermöglichen. Friedrichskoog leide darunter, betont er. Die Arbeiten hätten dazu geführt, dass der Friedrichskooger Hafen immer mehr verlandet sei und schließlich geschlossen wurde. Das Thema stößt den Einheimischen seit langem sauer auf. Ihr Hafen wurde 2015 aus Kostengründen geschlossen. Die kleine Gemeinde protestierte damals heftig. Der Hafen sei aber immer mehr versandet und habe keine wirtschaftliche Perspektive mehr gehabt, kann man beispielsweise in den Regionalnachrichten von NTV zu dem Thema nachlesen (Siehe externe Links).

Den Fotografen fragen wir auch nach dem Trischendamm. Der etwas mehr als zwei Kilometer lange Damm führt ziemlich gerade ins Watt hinaus. Erbaut wurde er 1935/36. Ursprünglich sollte er bis zur nahen Vogelinsel Trischen führen. Daraus wurde aber nichts. Einen Ausflug ist er dennoch wert. Man kommt ein ganzes Stück ins Watt hinaus. Es ist ein schöner Spaziergang, bei dem man hervorragend beobachten kann, wie Vögel im Watt Nahrung suchen. Wer sie fotografieren will, sollte allerdings ein Teleobjektiv einpacken. Der Damm liegt etwa drei Meter über dem Wattboden. Richtig nah kommt man an die Tiere nicht heran.


Für uns war es prima:  Abseits vom Trubel und doch nicht ganz allein. Und wirklich sehr entspannend. Eine Menge Natur, ein paar nette Begegnungen, viel Neues über die Natur im Wattenmeer – und dann auch noch ein paar schöne Fotos. Wir kommen sicher wieder ­- Dann werden wir unsere Reiseroute aber etwas sorgfältiger wählen. Hinzu versuchten wir Hamburg zu umgehen, um Staus zu vermeiden. Empfehlen kann ich das nicht. Die Fahrt schien kein Ende zu nehmen.


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Cuxhaven - Wind und Strand und Meer.



Externe Links: Auf die Inhalte dort habe ich trotz eingehender Prüfung keinen Einfluss. Beim Anklicken verlassen Sie den Geltungsbereich meiner Homepage.

 

Nabu-Blog zur Vogelinsel Trischen.

 

Der rote Queller: Internetseite des Nationalparks Wattenmeer.

 

NTV zum Thema Hafen Friedrichskoog.

 

Ölbohrplattform Mittelplatte A.

BUND

Wintershall

 


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