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Eine Ente im Dienst der Wissenschaft

Eine Stockente sucht am Wasser eines Sees nach Futter. Auf dem Rücken trägt sie ein kleines GPS-Gerät.
Mallard 892e haben die Wissenschaftler die Ente mit dem GPS-Gerät genannt, die am Bodenseee bei Hegne zu Hause ist. Foto: Kai-Uwe Ruf

Die GPS-Ente vom Bodensee

Ein Entenpaar sitzt auf einer grünen Wiese am Bodensee.
Viele Entenpaare ruhen auf den Wiesen des Campingplatzes bei Hegne am Ufer des Bodensees. Foto: Kai-Uwe Ruf

Ich sitze am Bodensee und schaue den Enten zu. Am Ufer beim Campingplatz Hegne tummeln sie sich gerne, suchen nach Futter oder paddeln scheinbar ziellos hin und her.

Und dann muss ich gleich zweimal hinschauen! Eine von ihnen trägt ein kleines rechteckiges Kästchen auf dem Rücken zwischen den Flügeln. Hightech auf dem Entenrücken?

 Da habe ich gleich eine Menge Fragen im Kopf!

Was für ein Gerät ist das?

Wer hat das Tier damit ausgestattet?

Nimmt die Ente an einem wissenschaftlichen Versuch teil?

Was bezweckt der Versuch?

Wird die Ente durch das Gerät gestört?

 

Die Antworten finde ich bei Dr. Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie im nahen Radolfzell. Er leitet dort die Abteilung für Tierwanderungen. Fiedler kennt die „GPS-Ente von Hegne“ ganz genau. Er weiß: Im Gegensatz zu vielen anderen Stockenten reist sie nicht gern. Nicht dass sie direkt ein Stubenhocker wäre, aber meist hält sie sich am Campingplatz Hegne auf.

Und das ist ungewöhnlich. Diese Standorttreue ist nicht unbedingt üblich bei Stockenten. Das geht aus der Studie hervor, an der die GPS-Ente von Hegne teilnimmt.

Im Februar 2018 haben Wissenschaftler das Tier mit dem GPS-Logger ausgestattet, berichtet Fiedler. Die Vogelkundler erforschen das Zugverhalten von Stockenten. Dazu zeichnen sie Bewegungsprofile auf. Die Erkenntnisse seien interessant in Zusammenhang mit der Verbreitung der Geflügelpest, aber auch, weil Pflanzen und wirbellose Tiere sich mit den Enten von Gewässer zu Gewässer ausbreiten, erklärt Fiedler.

 

Einige Enten fliegen jährlich etliche 1000 Kilometer

Eine Ente sucht Futter am Rand eines Sees. Auf ihrem Rücken ist ein viereckiges Kästchen angebracht. Es ist ein GPS-Gerät.
Gut zu sehen ist der GPS-Sender, den die Ente wie einen kleinen Rucksack auf ihrem Rücken trägt. Foto: Kai-Uwe Ruf

Rund 70 Stockenten haben die Forscher im Rahmen der Studie mit Sendern ausgestattet. Viele der Vögel, die im Winter am Bodensee sind, fliegen zur Brut weit nach Nordosten. Sie fliegen jährlich „etliche Tausend Kilometer“, berichtet Fiedler. Einige der Enten kommen bis in die Gegend von St. Petersburg, schreibt der Ornithologe in einer E-Mail.

 Ganz anders die GPS-Ente von Hegne, der die Wissenschaftler übrigens den Namen Mallard 892e gaben. „Mallard“ ist das englische Wort für Stockente. Bei ihr waren offenbar schon Ausflüge zum nahen Mindelsee oder zum Ententeich des Max-Planck-Instituts in Möggingen auffällig. Solche Flüge unternahm sie im Winter, wenn das Futter am Ufer des Campingplatzes in Hegne knapp wird.

 Die Ente trägt den GPS-Logger wie einen kleinen Rucksack, der den Vogel hoffentlich nicht störe, erklärt Fiedler. Zumindest täten die Wissenschaftler alles dafür, dass sich die Vögel mit den Loggern genauso verhalten, wie ohne. Sonst sei die Studie ja sinnlos.

 Bei meinen laienhaften Beobachtungen am See verhielt sich die GPS-Ente völlig unauffällig. Sie war häufig mit einem Erpel unterwegs und eifrig mit der Suche nach Futter beschäftigt, was sie manchmal zu Ausflügen bis weit in den Campingplatz hinein motivierte – gemeinsam mit anderen Artgenossen.

 

Die Logger werden wie ein Rucksack befestigt

Die Logger, mit denen die Wissenschaftler die Vögel ausstatten sind klein und leicht, sie wiegen etwa 20 Gramm. Den Strom, den sie benötigen, erhalten sie über ein Solarmodul. Einige Enten sind fünf bis sieben Jahre - ein ganzes Entenleben - mit so einem Gerät unterwegs, berichtet Fiedler. Es gebe allerdings einzelne Fälle, bei denen sich eines der Rucksackbänder gelöst habe. In der Folge seien die Sender verrutscht. Das gefalle den Enten sicher nicht, schreibt Fiedler.

 Dann hätten die Wissenschaftler die Enten einfangen und ihnen die GPS-Geräte wieder abnehmen müssen. Das sei jedes Mal ein langwieriges Unternehmen gewesen, denn eine Ente lasse sich nur schwer zweimal im Leben einfangen.

 

Die Wege, die die Mallard 892e und seine Kolleginnen zurücklegen, können übrigens auch Laien leicht nachverfolgen. Sie können in der kostenlosen App Animal-Tracker abgerufen werden. Auch darauf weist Fiedler hin.

Mit Hilfe der App können auch interessierte Laien an der Forschungsarbeit mitwirken. Sie können Sichtungen an das Institut für Verhaltensbiologie melden und Bilder senden. Auf diese Weise ist das Projekt ist Teil der Citizen-Sience-Bewegung.

 


Foto: HD Sandhagen
Foto: HD Sandhagen

Hinschauen lohnt sich. Als ich die Ente mit dem kleinen Sender auf dem Rücken am Bodensee entdeckte, wurde ich gleich neugierig. Und wenn man dann ein paar Fragen stellt, wird es wirklich spannend. Richtig gefreut habe ich mich, weil Dr. Wolfgang Fiedler  vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie so bereitwillig und ganz unkompliziert meine Fragen beantwortet hat.  Vielen Dank nochmal dafür. Es ist wirklich beeindruckend, was man in der Forschung mit moderner Technik alles herausfinden kann.

Vielleicht haben Sie auch schon Vögel gesehen, die mit GPS-Sendern ausgestattet wurden. Eine Nachricht in den Kommentaren würde mich freuen.


Eine Geschichte über Blaumeisen und ihre Lebensrisiken finden Sie hier: Gute Nachrichten aus dem Vogelhäuschen.


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Citizen-Science Wikipedia:



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Kommentare: 1
  • #1

    Jürgen (Mittwoch, 14 Juli 2021 17:06)

    Sehr interessant, wie immer. Den erwähnten Animal-Tracker habe jetzt auch bei mir auf dem Handy.