
Der beeindruckende Auftritt einer Gardistin
Eine der größten Attraktionen in Stockholm ist kein historisches Gebäude, kein Museum, nichts Statisches, sondern eine Zeremonie, etwas Lebendiges, das jeden Tag aufs Neue erschaffen wird: die Wachablösung der königlichen Garde vor dem Schloss. Schon lange bevor es losgeht, strömen die Touristen auf die kleine Insel Gamla Stan und dort immer den Hügel hinauf, dorthin wo das Schloss steht. Wochentags beginnt die Zeremonie im äußeren Hof des königlichen Schlosses. Aber auch wer zu spät kommt, so wie wir, erlebt ein interessantes Spektakel. Es lohnt sich schon wegen der Atmosphäre und weil man immer unerwartete Details zu sehen bekommt - beispielsweise den unermüdlichen Einsatz einer Gardistin.
Als wir oben am Hügel vor dem Schloss ankommen, ist die Wachablösung schon in vollem Gang. Gerade sehen wir noch einen kleinen Trupp blau uniformierter Gardesoldaten strammen Schrittes davon marschieren. Die Ablösung hat schon Stellung bezogen.
Mit Barett und weißen Handschuhen
Laute Marschmusik klingt vom Schloss her über den Platz. Am Rand stehen die Neugierigen und schauen zu. Die Gehsteige sind voller Menschen, viele drängen sogar auf das Kopfsteinpflaster der Straße. Im äußeren Hof des Schlosses gibt es abgesperrte Plätze für VIPs. Wir gehören nicht dazu und beobachten das Spektakel von der Straße aus – wie die meisten Passanten. Viele würden gerne weiter vordringen, aber das geht nicht. Zwei Soldaten stehen am Eingang zum äußeren Schlosshof und sorgen dafür, dass dort Ordnung herrscht. Eine Gardistin hält den Weg direkt vor dem Schloss frei. „Die nimmt doch keiner ernst“, raunt eine Touristin neben mir spöttisch ihrer Freundin zu, aber die junge Frau irrt sich. Vielleicht ist diese Gardesoldatin sogar die eigentliche Heldin der Zeremonie. Im Kampfanzug mit einem Barett auf dem Kopf, einem automatischen Gewehr an der Seite, weißen Handschuhen und weißen Gamaschen über den schwarzen Stiefeln dirigiert sie die anströmenden Touristen. Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Sie winkt sie nach rechts, winkt sie nach links, nimmt beide Arme auseinander wie eine Brustschwimmerin, dann macht sie ein paar Schritte nach vorne und zurück. Dann beginnt wieder alles von vorne...
...bis es endlich so weit ist. Das Musikkorps verlässt den Platz vor dem Schloss. Es marschiert die Straße entlang, die unsere Gardistin – unterstützt vom einigen Kollegen – nun erfolgreich frei hält.
Das Korps marschiert, perfekt wie an Schnüren ausgerichtet. Ich frage mich, wie lange man üben muss, um eine solche Präzision hinzubekommen.
Und dann ist alles auch schon vorbei. Wenige Meter weiter, am Slottsbacken, findet die Zeremonie schnell und unerwartet ein Ende. Die Musiker, die gerade noch angestrengt und konzentriert bei der Arbeit waren, wirken auf einmal locker und entspannt. Einige wechseln ein paar Worte, andere lassen sich sogar fotografieren, während sie ihre Instrumente einpacken. Danach steigen sie in zwei große Busse und fahren davon. Bis zum nächsten Vormittag. Die gesamte Zeremonie dauert etwa 40 Minuten.
Wachablösung ist im Sommer jeden Tag
Die traditionelle Wachablösung kann man Juni bis August, Montag bis Samstag um 12.15 Uhr und Sonntag um 13.15 Uhr sehen. Sonst findet sie Mittwoch und Samstag um 12.15 Uhr und Sonntag um 13.15 Uhr statt. Wer die ganze Wachablösung sehen möchte, sollte frühzeitig vor dem königlichen Schloss sein. Der Andrang ist groß, die guten Plätze sind rar. Wer rechtzeitig da ist, sieht auch eine Fahnenzeremonie und kann Erklärungen in schwedischer und englischer Sprache hören. Die Choreografie des Musikkorps bildet den Abschluss der Zeremonie.
Die Tradition reicht viele Jahrhunderte zurück. Die Geschichte der Livgarde beginnt 1521. Damals bestand sie aus 16 Männern als Leibwache für Gustav Wasa. Nach dessen Körnung 1523 wurde die kleine Truppe erstmals erweitert. Die Wachablösungen vor dem Schloss finden seit mehr als 200 Jahren statt.


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